Selbstgespräch eines Computers über ein von ihm mißverstandenes Konzert (2002)

Computerwerk, circa 15′, Auftragskomposition des Inventionen Festivals.
Ingrid Beirer, Folkmar Heim und Thomas Seelig gewidmet.


-> Hier Soliloque herunterladen (14 Mb).

1. Präsentierung:

(Programmtext des Festivals Inventionen 2002)

Einen mini-Komponisten komponieren…. SOLILOQUE pour [X, X, X et X] ist kein Stück im eigentlichen Sinne, eher eine Meta-Partitur, die der Computer in Echtzeit aus Auszügen der anderen Stücke des Konzerts generiert. Das heißt, dass das erzeugte Stück bei jedem Konzert anders und einmalig ist nicht nur, weil das Material, aus dem dieses Mosaik gebildet wird, auf Erinnerungen an die Klänge der anderen Stücke beruht, sondern auch, weil bereits die Organisation dieses Mosaiks ihrerseits funktionell bestimmt ist von den Parametern, die sich aus der Analyse der Samples ergeben haben.

Es geht nicht darum, die anderen Stücke des Konzertes zu zitieren oder zu erkennen (die jeweils benutzten Ausschnitte, die nicht länger als 20 Sekunden sind, bestehen zum Beispiel aus einem Akkord, mal aus einer Geste, mal aus einem Instrumententon), sondern darum, den Geist und die Farbe jener Ausschnitte zu erfassen, und auf ihrer Analyse eine Grammatik zu begründen. Weiterhin geht es auch nicht darum, jedes Mal ein komplett neues Stück zu generieren, sondern jeweils dieselbe musikalische Sprache umzusetzen: meine. Der Interpret des Stückes ist der Kontext des jeweiligen Konzertabends.

Im Rahmen dieses Projekts eines kontextabhängigen Meta-Werks konnte ich die Kompositions-Techniken meiner früheren Instrumentalwerke weiterentwickeln und auf eine abstrakte Ebene heben, Techniken, die sich nicht aus einer abstrakten Zeichengrammatologie ableiten, sondern aus der Realität des klanglichen Phänomens. Tatsächlich bearbeiten diese Techniken nicht die klassischen Parameter Rhythmus, Tonhöhe und Klangfarbe, wie sie sich aus der Gestaltungsweise der westlichen Kunstmusik ableiten lassen, sondern vielmehr die akustischen und elektroakustischen Parameter des Klangs : hier geht es darum, Kompositionstechniken zu entwickeln, die sich nicht auf Tonhöhen, sondern auf Klangobjekte beziehen; nicht auf Rhythmen, sondern auf Auslesepositionen und -dauern; nicht auf Intervalle, sondern auf Auslesegeschwindigkeiten, nicht auf Klangfarben, sondern auf Intensitäten, Filterung und Räume.

Das vorliegende Projekt einer kontextualisierten Meta-Partitur befindet sich noch im Versuchsstadium; es wurde ausschließlich mit der Software SuperCollider programmiert mit allen Möglichkeiten und Beschränkungen, die dieses Instrument bietet; und mit der wertvollen Hilfe von Thomas Seelig als musikalischem Assistenten, Frederic Roskam für die schwerige Portierung aus OSX, und Thomas Noll für die mathematische Berechnung der ‚Vuza-Kanone‘.